Back to Business: Expert:innen-Tipps für den Wiedereinstieg.

Wenn man für die Familie eine längere Pause im Job einlegt, steht man oft vor Herausforderungen, wenn man zurück in den Beruf möchte.

Suche ich einen Job in derselben Position wie vor dem Break? Muss ich Lohneinbussen in Kauf nehmen? Hier ein paar Exptert:innen-Tipps, damit es mit dem Wiedereinstieg klappt.

Dieser Beitrag stammt aus der Feder von Samantha Taylor.

Die Erwerbsquote der Väter ist seit jeher konstant und liegt bei 97 Prozent, unabhängig von der Zahl der Kinder.

Zeit für die Familie, eine Pause vom Beruf.

In der Schweiz entscheidet sich jede neunte Frau für diesen Weg. Mit der Geburt des ersten Kindes verlässt gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) ein Neuntel der Frauen den Beruf. Mit dem zweiten Kind sinkt die Erwerbsquote von Müttern auf knapp 70 Prozent. Wer im Job unterbricht, tut dies im Schnitt fünf Jahre. Danach steigt die Mehrheit der Mütter wieder ein, tendenziell jedoch mit einem tiefen Pensum, 36 Prozent beträgt es im Schnitt.

Ein interessanter, wenn auch wenig überraschender Fakt: Blick auf die Männer.

Die Erwerbsquote der Väter ist seit jeher konstant und liegt bei 97 Prozent, unabhängig von der Zahl der Kinder. Längere Pausen vom Job gibt es bei ihnen also so gut wie keine.

«Ein Wiedereinstieg ist möglich.»

Zurück zu den Müttern. Wer seine Zeit voll der Familienarbeit widmet und nach einem längeren Unterbruch in die Berufswelt zurückkehren will, steht nicht nur vor vielen Fragen, sondern auch vor einigen Herausforderungen. Auf welche Stellen soll ich mich bewerben? Was schreibe ich in den CV? Wie gelingt die Vereinbarkeit? Vorweg: Auf die letzte Frage gibt es leider noch immer keine abschliessende Antwort – wir bleiben dran.

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Über alle anderen Fragen zum Wiedereinstieg haben wir mit Dr. Patricia Widmer gesprochen. Sie ist Beraterin und baute an der Universität St. Gallen den Zertifikatsstudiengang «Women Back to Business» und das «Women’s Leadership Programme» auf. Patricia Widmer hat unterschiedliche Biografien gesehen und verfolgt. Sie weiss: Ein Wiedereinstieg ist möglich. «Ich habe erfolgreiche Wiedereinstiege bei jeder Länge von Pause gesehen, von ein paar Monaten bis hin zu rund 15 Jahren.» Je länger jedoch ein Unterbruch dauere, umso schwieriger sei es, wieder Fuss zu fassen. Wie es gelingen kann, erklärt sie uns.

Die Vorbereitung.

Wie so oft gilt auch beim Wiedereinstieg in den Beruf: Vorbereitung ist Key. «Es lohnt sich also, einen Plan für den Wiedereinstieg zu machen und diesen mit dem eigenen Umfeld zu besprechen. Einerseits natürlich mit der eigenen Familie, andererseits aber auch mit Freund:innen, Bekannten oder professionellen Coaches», rät Patricia Widmer. Sinnvoll könne auch sein, ein sogenanntes Vision Board mit allen Wünschen, Zielen und Ideen bezüglich Beruf zu erstellen und diese dann einem Realitätscheck zu unterziehen. Wichtig ist laut Widmer, sich im Vorfeld Gedanken zu gewissen Rahmenbedingungen zu machen:

  • Höhe des Pensums
  • Länge des Arbeitswegs
  • Arbeitszeiten (Wochenarbeitsstunden, Flexibilität, Home Office-Möglichkeit)
  • Lohn
  • Organisation der Familie


Mit möglichst vielen Menschen über den geplanten Wiedereinstieg zu sprechen, ist nicht nur sinnvoll, um sich selbst darauf vorzubereiten, sondern auch, um das eigene Netzwerk zu aktivieren. Je mehr Menschen wissen, dass man eine Stelle sucht, umso besser. Vielleicht ergibt sich sogar ein Job aus dem persönlichen Umfeld. 

«Weder eine starke Überqualifizierung noch eine starke Unterqualifizierung sind ideal für einen Wiedereinstieg.»

Die Stellensuche.

Jobinserate können ziemlich entmutigend sein. Oft enthalten sie einen regelrechten Katalog an Anforderungen. Studien haben gezeigt, dass sich Frauen davon deutlich mehr abschrecken lassen als Männer. Frauen bewerben sich nur auf eine Stelle, wenn sie fast 100 Prozent der verlangten Fähigkeiten aus der Jobbeschreibung erfüllen. Männer sind da grosszügiger. Sie schicken ihre Bewerbung schon ab, wenn sie 60 Prozent der Anforderungen erfüllen.

Nach einem längeren Unterbruch ist das Selbstvertrauen in Bezug auf die eigenen Fähigkeiten für die Berufswelt häufig nicht hoch. Es hilft, sich beim Lesen der Stelleninserate in Erinnerung zu rufen, dass das Inserat ein Ideal, eine Wunschvorstellung der Arbeitgebenden ist. Und ein bisschen männliches Denken ist ebenfalls nicht schlecht: Bringt man rund die Hälfte der Fähigkeiten mit, kann man sich mit gutem Gewissen bewerben.

Patricia Widmer rät dazu, sich auf Stellen zu bewerben, die in etwa der letzten Position vor dem Unterbruch entsprechen: «Weder eine starke Überqualifizierung noch eine starke Unterqualifizierung sind ideal für einen Wiedereinstieg.» Es ist wichtig, dass man in der neuen Position gefordert, aber nicht überfordert sei. «Ein Wiedereinstieg ist eine neue Situation für einen selbst, aber auch für das Umfeld. Da gilt es, bewusst mit den eigenen Ressourcen umzugehen.» Eine erste Position nach der Pause kann auch einfach ein Trittbrett sein. «Es ist wichtig, dass man den Fuss in die Türe kriegt, sichtbar wird und sich positionieren kann», sagt Widmer. Allerdings nicht um jeden Preis. Zu tiefe Positionen können schaden und auch beim Lohn sind zu grosse Kompromisse nicht sinnvoll, denn Lohnerhöhungen sind danach schwierig zu verhandeln.

Der CV und die «Lücke».

Die Frage, was man in den Lebenslauf schreibt, wenn man einen längeren Unterbruch hatte, beschäftigt viele Mütter. In Zeiten, in denen immer häufiger Algorithmen Bewerber:innen vorselektieren, ist es umso wichtiger, hier nicht schon durchs Raster zu fallen. Patricia Widmer empfiehlt deshalb, keine Lücke im CV zu lassen, sondern die Familienzeit zu erwähnen. Bei der Betitelung könne man durchaus kreativ sein. Mögliche Erwähnungen sind:

  • Familienzeit
  • Family CEO
  • Family Manager
  • Sabbatical


Neben der Bezeichnung lohnt es sich, zu erwähnen, welche Skills in dieser Zeit entwickelt und gestärkt wurden. «Hier geht es um sogenannte transferable Skills, Fähigkeiten, die sich aus dem Familienleben auf den Beruf übertragen lassen und dort nützlich sind», so Widmer. Dazu zählen unter anderem:

  • Flexibilität
  • Einfühlungsvermögen
  • Organisationstalent
  • Stressresilienz
  • Effizienz

 
«Alles, was man in dieser Pause zusätzlich gemacht hat, kann und soll man im CV erwähnen.», so Widmer. Dazu gehören:

  • Weiterbildungen
  • Kurse
  • Freiwilligenarbeit (auch in Vereinen oder in der Schule)
  • Längere Aufenthalte im Ausland
  • Besuche von Tagungen und Konferenzen
  • Aufbau eines eigenen Geschäftes


Solche Aktivitäten, wenn möglich, während der Familienzeit weiterzuführen, sei allgemein sinnvoll und hilfreich, um am Ball zu bleiben.

Im Bewerbungsgespräch.

Grundsätzlich gilt: Im Bewerbungsgespräch sind nur Fragen erlaubt, die einen Zusammenhang mit dem potenziellen künftigen Job haben. Privates und vor allem Fragen zur Organisation der Familie oder zur Familienplanung haben hier nichts verloren. Letztere sind sogar unzulässig und müssen nicht beantwortet werden.

Nach einem längeren Unterbruch kann es aber gut sein, dass dieser im Vorstellungsgespräch thematisiert wird, gerade wenn es um die Eignung für den Job geht. «Man sollte auf diese Frage vorbereitet sein und sich im Vorfeld überlegen, wie man die Zeit darstellen möchte», sagt Patricia Widmer. Wer seine Zeit der Familie gewidmet habe, müsse nichts verstecken: «Man darf dazu stehen, klar mitteilen, was man gemacht und gelernt hat, sowie die Skills erwähnen, die man als Mutter oder Vater entwickelt hat», so die Expertin.

 

Im neuen Job.
Und was, wenn es mit dem Job klappt, aber die Selbstzweifel nagen? Darüber reden, Hilfe holen und sich unterstützen lassen. Das gilt während der Stellensuche oder im neuen Job. «Niemand muss alleine durch diesen Prozess», sagt Patricia Widmer. Sie verweist auf Programme, die beim Wiedereinstieg helfen können, wie beispielsweise Women Back to Business der Universität St. Gallen. Auch ein Austausch mit Karriere-Coaches oder Mentor:innen kann sinnvoll sein. «Primär geht es darum, an sich zu glauben und nicht an seinen Fähigkeiten zu zweifeln.»